Ist Kreuzheben gesund oder schädlich für den Rücken?

"Ist Kreuzheben gesund oder schädlich?" Diese Frage höre ich häufig.

Gerade Anfänger sind häufig verunsichert. Kreuzheben sei wichtig für Muskelaufbau. Kreuzheben sei aber auch schädlich für den Rücken.

Was denn nun?

Erst vor kurzem habe ich wieder einen selbsternannten Wirbelsäulenexperten überhört, der meinte:

Kreuzheben ist eines der schlimmsten Dinge, die du deinem Rücken antun kannst.

Leider hat er recht... wenn es wie im Video ausgeführt wird, ist Kreuzheben Gift für den Rücken.

Was ist denn aber nun richtig?

Ist Kreuzheben gesund oder schädlich für den Rücken?

In diesem Artikel gehen wir dieser Frage auf den Grund.

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Ist Kreuzheben gesund oder schädlich?

Ist Kreuzheben gesund oder schädlich für den Rücken?

Okay, heute habe ich mal keine Lust einen langen Spannungsbogen aufzubauen. Darum hau ich die Wahrheit ganz unverblümt raus. Bereit? Kreuzheben ist gesund!

Diese eine Übung bietet viele Vorteile für deine Gesundheit, deinen Rücken, deinen Hormonhaushalt, dein Sexleben... alles.

SOLANGE die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Und genau da liegt der Hund begraben: Die meisten lesen in einem Fitness-Magazin, welcher starke und muskulöse Star Kreuzheben macht und eifern ihm nach. Dass dieser Star Jahre brauchte, um diese Übung adäquat zu erlernen, wird leider vergessen.

Manche meiner Klienten warten 1 bis 1 ½ Jahre darauf, bis sie an Kreuzheben denken dürfen. Bis dahin werden sie auf diese Übung vorbereitet.

Ist Kreuzheben gesund oder schädlich für den Rücken? 

Beides!

Wenn ein Büroangestellter, der seit 10 Jahren keinen Sport gemacht hat, mit einem Körperbewusstsein wie ein Stein, inaktivem Gesäß und schlechten Bewegungsmustern Kreuzheben ausführt, wette ich auf „ungesund“.

Besagter Büroangestellter darf zunächst die Grundlagen erlernen und auf das Kreuzheben vorbereitet werden. Welche Voraussetzungen für diese fortgeschrittene Übung gegeben sein müssen, schauen wir uns gleich an.

Ebenso welche Progressionsstufen durchlaufen werden können.

Vorher schauen wir uns noch die Gesundheitsvorteile von Kreuzheben an.

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Warum Kreuzheben gesund für deinen Rücken ist

Du bist noch nicht ganz überzeugt? In deinem Kopf ist das wiederholte Heben und Senken schwerer Gewichte nach wie vor ungesund? Okay, hier sind einige Vorteile, die dich überzeugen werden.

Ist Kreuzheben gesund oder schädlich für den Rücken? Finden wir es heraus!

Vorteil #1: Anpassung unterschiedlicher Gewebestrukturen

Die Gesetze von Wolff und Davis besagen grob, dass sich Knochen und Weichgewebe entsprechend ihrer Belastung anpassen.

Um die Gewebe zur Adaption zu zwingen, müssen sie mehr belastet werden als bisher. Für Osteoporose-Patienten ist das wichtig. Die Knochen MÜSSEN belastet werden, damit sie sich verdichten. 

Ebenso muss Weichgewebe belastet werden, damit es sich adäquat anpasst.

Leg-Extension- und Leg-Curl-Maschinen sind dafür leider ungeeignet. Kreuzheben schon eher. Denn um Gewebe zu stärken, muss es belastet werden. Und zwar schwer.

Ist Kreuzheben gesund oder schädlich für den Rücken? 1:0 für gesund.

Vorteil #2: Kreuzheben ist gesünder als sitzen

Viele Experten haben die Druckverteilung auf die Bandscheiben gemessen und sind sich einige:

Übermäßiges Sitzen mit rundem Rücken ist schädlicher als Kreuzheben.

Grund dafür ist zum einen die ungleiche Druckverteilung auf die Bandscheiben in der Lendenwirbelsäule.

Vorteil Kreuzheben: Die Bandscheiben werden gleichmäßig belastet und wieder entlastet. So ernährt sich eine Bandscheibe.

Nachteil Sitzen: Die Bandscheiben werden einseitig belastet und einseitig entlastet. Erhält eine Bandscheibe über längere Zeit keine frischen Nährstoffe, kann sie porös werden und brechen. Blöd.

Bret Contreras führt zusätzlich an, dass langes Sitzen die Aktivität des Gesäßes hemmt. Im Gegensatz dazu stärkt Kreuzheben die Aktivität der hinteren Kette.

Obviously regular sitting wouldn’t give you more intradiscal pressure than really heavy deadlifts, but I would definitely agree that prolonged sitting is more deleterious on the spine than deadlifting. You’ve got prolonged intradiscal pressure, plus sitting decreases glute activation by several mechanisms: compression on the tissue, neurological reciprocal inhibition of the hip flexors, and mechanical inhibition of end range hip extension due to adaptive shortening of hip flexors.

Ist Kreuzheben gesund oder schädlich für den Rücken? 2:0 für Kreuzheben.

Vorteil #3: Die komplette hintere Kette wird trainiert

Kreuzheben sorgt nicht nur für eine starke hormonelle Reaktion. Es trainiert die komplette hintere Kette.

Hervorzuheben sind dabei das Gesäß, was einen großen Teil der Last abnimmt und die Rückenstrecker (Longissimus, Iliocostalis, Erector Spinae etc.), die ziemlich gut darin sind, die Scherkräfte auf die Wirbelsäule auszugleichen.

Findet übrigens auch Prof. Stuart McGill. Er muss es wissen. Er ist weltweit führender Rückenschmerzexperte.

Und: Es gibt keinen starken Menschen ohne eine starke hintere Kette. Wenn das nicht überzeugend ist...

Longissimus Thoracis

Die Rückenstrecker müssen stark sein, um Scherkräften zu widerstehen.

Ist Kreuzheben gesund oder schädlich für den Rücken? 3:0 für Kreuzheben.

Die Vorteile noch einmal auf einen Blick:

  • Kreuzheben verbessert die Knochendichte und stärkt das Weichgewebe,
  • Kreuzheben ist weniger belastend für die Bandscheiben als übermäßiges Sitzen,
  • Kreuzheben stärkt die komplette hintere Kette.

Da du nun eindeutig überzeugt bist (oder? oder?), dass Kreuzheben gesund und nicht schädlich ist, können wir uns anschauen, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit diese Übung auch langfristig Freude bereitet.

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3 Voraussetzungen für gesundes Kreuzheben

Um die Mutter aller Übungen ausführen zu können, müssen mehrere Voraussetzungen gegeben sein. Ohne diese ist von der Originalform des Deadlifts abzuraten – natürlich sind Regressionen erlaubt.

Welche drei Voraussetzungen das sind? Gut, dass du fragst...

#1 Die Körpermitte stabilisieren können

Dies gilt eigentlich für fast alle Übungen. Der Rumpf muss stabilisiert werden können, damit die Wirbelsäule geschützt ist.

Das bedeutet NICHT, den Bauchnabel einzuziehen. Es bedeutet, den Rumpf anzuspannen. Einfach so. Ohne Schnickschnack. 

#2 Den Rücken neutral halten

Oftmals scheitert es schon daran, dass der Rücken nicht neutral gehalten wird. Neutral oder gerade? Nicht gerade! Sondern neutral!

Das bedeutet, dass die Wirbelsäule ihre natürliche Doppel-S-Form behält.

Am sichersten ist der Rücken in eben dieser Neutralstellung.

Diese muss über verschiedene Bewegungen hinweg gehalten werden können.

neutral vs. flach

Links: Flachrücken. Rechts: Neutral. Ein Flachrücken ist zu vermeiden.

Damit Kreuzheben gesund ausgeführt werden kann, muss vor allem die Anti-Flexion gut ausgeprägt sein.

Assistenzübungen dafür sind zum Beispiel:

  • Back Extension,
  • Zercher-Varianten von Good Mornings, Squats, Carries etc.
  • Romanian Deadlifts,
  • und viele weitere.

#3 Das Hip Hinge-Pattern

Dieser Punkt ist insbesondere für Menschen, die beruflich viel sitzen, eine Herausforderung:

Zu lernen, die Beugung aus den Hüften zu initiieren und NICHT aus dem unteren Rücken.

Die Beugung der Hüfte geht mit dem Punkt davor einher: Einer Anti-Flexion. Die Wirbelsäule muss über den kompletten Bewegungsumfang neutral gehalten werden, damit Kreuzheben gesund und nicht schädlich ausgeführt werden darf.

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Kreuzheben richtig lernen

Okay, nun haben wir allerhand gelernt. Jetzt wird es Zeit für die Action. Wenn du diese progressive Reihe durcharbeitest, wirst du Kreuzheben gesund und nicht schädlich ausführen können.

Los geht’s!

#1 Kneeling Hip Hinge

Am Anfang geht es darum, die Hüftbeugung von der Beugung im unteren Rücken zu unterscheiden.

Am einfachsten ist dies auf den Knie möglich. Starte dazu im Kniestand. Während du das Gesäß nach hinten schiebst, als würdest du dich auf die Fersen setzen wollen, wandern die Hände an deinen Beinen hinab. Bewegung umkehren. Fertig.

Relativ einfach, oder?

Oftmals mach ich diese Bewegung nur, um meinen Athleten ein Gefühl für den Hip Hinge zu geben und gehe schnell zur nächsten Stufe über.

Andere haben so ein schlechtes Körperbewusstsein, dass ich bei dieser Übung bleibe und sie belade.

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Wir fügen dann eine externe Last an einem Kabelzug hinzu, welche die Hüftstreckung fordert. Im Video siehst du, wie die Übung funktioniert.

#2 Hip Hinge mit Stock

Im Stehen stellt es oftmals schon eine größere Herausforderung dar, den Hip Hinge zu meistern. Um ein propriozeptives Feedback zu geben, nutze ich während der Bewegung einen Stock (was übrigens auch bei späteren Übungsvarianten ein gutes Hilfsmittel sein kann).

Kontaktpunkte mit den Stab sind das Gesäß, der obere Rücken und der Hinterkopf.

Diese Kontaktpunkte MÜSSEN erhalten bleiben, während eine Hüftbeugung stattfindet.

Oftmals reicht auch hier ein einmaliges Ausführen, bevor ich zur nächsten Übung übergehe.

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#3 Pull Through

Der Pull Through ist eine fantastische Übung, um das Hip Hinge-Pattern zu beladen, ohne den Rücken stark zu belasten.

Befestige dazu einen Seilgriff am unteren Ende eines Kabelzuges.

Greife das Seil zwischen den Beinen und gehe zwei Schritte nach vorn.

Schiebe das Gesäß nach hinten, während der Rücken neutral gehalten wird.

Spanne das Gesäß an und strecke die Hüfte durch.

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Wenn du alles richtig machst, spürst du diese Übung ausschließlich im Gesäß und den hinteren Oberschenkeln. Der untere Rücken sollte nur minimal bis gar nicht zu spüren sein.

#4 Kettlebell Deadlift

Die nächste Stufe nutzt ein freies Gewicht. Erstmals werden dadurch Scherkräfte erzeugt, denen es zu widerstehen gilt.

Die Kettlebell hat den Vorteil, dass sie so in der Körpermitte platziert werden kann, dass die Scherkräfte minimal ausfallen.

Platziere die Kettlebell genau zwischen deinen Beinen.

Greife sie mit beiden Händen, halte deinen Rücken in Neutralstellung und strecke die Hüfte, bis du aufrecht stehst. Geschafft? Nochmal!

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#5 Trap Bar Deadlift

Als nächstes nutzen wir eine Trap Bar. Der Vorteil: Durch die Griffe links und rechts befindet sich der Schwerpunkt in der Körpermitte.

Dadurch werden die Scherkräfte in der Wirbelsäule relativ gering gehalten, während das Hip Hinge-Pattern ordentlich beladen werden kann.

#6 One-Legged Deadlift

Etwas schwieriger wird es mit dem One-Legged Deadlift. Mittlerweile sollte der Hip Hinge sitzen und ein gutes Körperbewusstsein aufgebaut worden sein.

Nun arbeiten wir einbeinig.

Dadurch müssen wir den Rücken nicht nur anti-flektorisch, sondern auch anti-rotatorisch stabilisieren.

Die Anforderungen steigen.

Denke beim One-Legged Deadlift weniger an eine Kräftigung, sondern eher an eine Dehnung

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Diese Übung kann damit gut als Assistenzübung fungieren.

#7 Sumo-Deadlift

Jetzt geht es ans Eingemachte: Das Kreuzheben geht los. Ich beginne häufig mit einer Sumo-Kreuzhebe-Variante. Vorteil: Der Oberkörper ist aufrechter, wodurch die Scherkräfte minimiert werden.

Nachteil: Eine gute Hüftbeweglichkeit ist ein Muss. Manche können die Übung aufgrund ihrer Hüftanatomie gar nicht ausführen. Erzwinge an der Stelle nichts!

#8 Kreuzheben

Die Königsdisziplin: Kreuzheben. Nach gut einem Jahr bist du nun so weit. Kannst du den Rumpf anspannen? Den Rücken neutral halten? Den Hip Hinge ausführen? Dann hast du dich als würdig erwiesen, diese geniale Übung auszuführen.

In diesem Artikel habe ich beschrieben, wie du Übung richtig ausführst.

Kreuzheben lernen.

Viel Spaß und Erfolg damit!

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Jetzt bist du dran!

Da du den Artikel bis hierhin gelesen hast, gehe ich davon aus, dass du ernsthaft daran interessiert bist, deine körperlichen Beschwerden loszuwerden.

Leider ist es nicht immer leicht, die richtigen Übungen zu finden. Vor allem weil du bei Google oft widersprüchliche Vorschläge findest.

Jedoch gibt es eine Trainingsmethode, die für jeden Trainingsstand und jedes Alter geeignet ist: Die kontrollierten Gelenkrotationen. Ich nutze sie mit jedem Kunden, egal was er hat.

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Bildernachweis im Artikel "Ist Kreuzheben gesund oder schädlich?:


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