"Auf dem MRT kann man ganz klar einen Bandscheibenvorfall erkennen." sagt Thomas, während er mir seine Aufnahmen zeigt.
"Das muss die Ursache meiner Rückenschmerzen sein."
Dann machen wir drei Tests, um zu überprüfen, ob seine Symptome tatsächlich auf einen Bandscheibenvorfall schließen lassen. Und siehe da: Dies ist nicht der Fall.
Wenn du dir jetzt denkst: "Hä? Bandscheibenvorfall und Rückenschmerzen MÜSSEN zusammenhängen?!" Dann wird dich dieser Artikel möglicherweise genauso überraschen, wie das Testergebnis Thomas überrascht hat.
Macht dir noch einen Tee und setz dich gemütlich hin. Dieser Artikel könnte deine Sichtweise auf das Thema Bandscheibenvorfall durcheinander bringen.
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Reicht ein MRT, um ein Bandscheibenvorfall erkennen zu können?
Stell dir folgende Situation vor: Du hast seit ein paar Tagen unangenehme Rückenschmerzen.
Dann gehst du zum Arzt, er hört dir kurz zu und überweist dich dann zum MRT.
Sie schieben dich in die Röhre und machen ein Bild von deiner Lendenwirbelsäule.
Anschließend wertet dein behandelnder Arzt das Bild mit dir aus. Das Ergebnis:
"Die Ursache ist klar. Auf dem MRT kann man deutlich einen Bandscheibenvorfall erkennen."
Eine MRT-Aufnahme gilt nach wie vor als Goldstandard für die Untersuchung. Angeblich könne man darauf sehen, was die Schmerzursache ist... oder?
Leider ist es nicht ganz so einfach. So konnte eine bahnbrechende Untersuchung an der Mayo Clinic in Minnesota zeigen, dass sehr viele Menschen OHNE Rückenschmerzen auch Bandscheibenvorfälle haben. So lag die Prävalenz bei den 20 bis 30-jährigen bei 30%. Bei den 80-jährigen lag sie sogar bei 84% (Brinjikji et al. 2015).
Nochmal zum Festhalten: Menschen OHNE Schmerzen können Bandscheibenvorfälle haben und merken nichts davon.
Darum empfehlen moderne Leitlinien, wie z.B. die Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz, bei Rückenschmerzen zunächst KEINE MRT-Aufnahme zu machen.
Das hat einen einfachen Grund: Ein vorzeitiges MRT in den ersten sechs Wochen führt zu:
- mehr Operationen an der Lendenwirbelsäule,
- mehr Konsum von Schmerzmitteln und
- einer stärkeren Schmerzerfahrung (Jacobs et al. 2020).
Nur wenn sogenannte Red Flags vorliegen, wird ein MRT empfohlen (das schauen wir uns im nächsten Abschnitt an).
Darum empfehlen führende Rückenschmerz-Experten wie z.B. Prof. Dr. Stuart McGill folgendes Vorgehen:
- Patientengeschichte aufnehmen: Gibt es dabei Hinweise auf einen eventuellen Bandscheibenvorfall?
- Provokations-Tests: Können wir mit gezielten Tests Symptome auslösen, die einen Bandscheibenvorfall erkennen lassen?
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Typische Symptome eines Bandscheibenvorfalls
Morgens fühlst du dich nach dem Aufstehen steif (nein, ich meine nicht das, du Schlingel).
Du merkst dann beim Socken anziehen oder Zähneputzen, wie der Rücken einfach fest ist und eventuell sogar schmerzt.
Eigentlich jedes Mal, wenn du dich in den ersten Stunden nach dem Aufwachen nach vorne beugen möchtest. Vor allem Bein Socken und Schuhe anziehen.
Im Laufe des Tages lässt das Steifigkeitsgefühl nach und die Symptome werden etwas besser. Viele Betroffene beschreiben ihre Beschwerden genau so.
Zusätzlich klagen sie über einen dumpfen und tiefsitzenden Schmerz im unteren Rücken oder Schmerzen beim Husten und Niesen.
In wenigen Fällen kann es auch zu neurologischen Ausfällen kommen. Das sind z.B.:
- Taubheitsgefühle im Bein
- Sensorische Missempfindungen
- Ausstrahlende Beschwerden ins Bein
- Schwierigkeiten den Stuhl oder Urin zu halten.
Sollte einer dieser sogenannten Red Flags auftreten, suche bitte umgehend einen Arzt auf und lass dich ausführlicher untersuchen.
Wenn nicht, dann helfen dir die folgenden drei Tests, um einen Bandscheibenvorfall erkennen zu können.
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3 Tests, um einen Bandscheibenvorfall erkennen zu können
Ein symptomatischer Bandscheibenvorfall zeigt typische Symptome. Und obwohl es nicht DEN Test gibt, können wir mit mehreren Tests den Verdacht erhärten und einen Bandscheibenvorfall erkennen.
Nachfolgend findest du drei Tests dafür:
Test #1: Seated Compression Test
Der erste Test ist der sogenannte Seated Compression Test. Er gibt einen ersten Einblick in die Natur der Rückenschmerzen.
Während die meisten Bandscheibenvorfälle auf eine Beugung sensibel reagieren, gibt es auch andere Schmerzmuster.
Um das zu testen, setze dich auf einen Stuhl.
Greife mit den Händen seitlich unter den Stuhl. Bring deine Wirbelsäule zunächst in eine neutrale Position.
Ziehe dich nun mit den Händen in den Stuhl herein. Erzeugst du durch diese Kompression Schmerzen? Dann erhärtet sich der Verdacht.
Wiederhole den Test, indem du einen Rundrücken und ein Hohlkreuz machst.
Werden die Beschwerden mit dem Rundrücken schlimmer, aber lassen mit Hohlkreuz nach? Dann wäre das ein typisches Schmerzmuster, an dem du einen symptomatischen Bandscheibenvorfall erkennen kannst.
Test #2: Bauchlage
Der zweite Test ist der McKenzie-Methode entnommen. Stelle dich dazu zunächst aufrecht hin und spüre in deinem Rücken hinein. Wie fühlt es sich an?
Lege dich dann auf den Bauch mit den Händen unter dem Kinn. Wenn es angenehm ist, bleibe in dieser Position 3 Minuten liegen. Stehe anschließend auf. Sind deine Beschwerden besser geworden?
Dann kannst du daran einen Bandscheibenvorfall erkennen.
Wenn nicht und du hast währenddessen sogar Schmerzen gehabt, liegt die Ursache nicht an den Bandscheiben.
Test #3: Straight Leg Raise
Manchmal kann es durch einen Bandscheibenvorfall zu Ischiasbeschwerden kommen. Manchmal kommt es aber auch zu ausstrahlenden Beschwerden, die nicht auf einen Bandscheibenvorfall zurückzuführen sind.
Als Therapeut, Trainer und Mediziner ist es wichtig, das erkennen zu können, um den Reha-Plan optimal zu gestalten.
Dazu hat sich der Straight Leg Raise als sehr genau herausgestellt (Pesonen et al. 2021).
Auf dem Bild siehst du, wie der Test aussieht. Lege dich dazu auf den Rücken und hebe ein Bein kontrolliert an.
Treten dabei deine typischen Symptome auf?
Als wichtigste Punkte darfst du dir merken, dass der Test als positiv gilt, wenn:
- du ausstrahlende Beschwerden zwischen 30 und 70° Hüftbeugung hast,
- der Schmerz unterhalb der Knie auftritt,
- die ausstrahlenden Probleme stärker sind als der Rückenschmerz und
- sensorische Missempfindungen auftreten.
Genau diese Tests helfen, um einen Bandscheibenvorfall erkennen zu können. Ich hatte sie auch mit Thomas gemacht und kein einziger konnte irgendwelche Symptome auslösen.
Daher war es bei ihm unwahrscheinlich, dass der Bandscheibenvorfall eine große Rolle spielt. Das kann bei jemand anderem aber ganz anders aussehen.
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Jetzt bist du dran!
Da du den Artikel bis hierhin gelesen hast, gehe ich davon aus, dass du ernsthaft daran interessiert bist, deine Bandscheibenprobleme loszuwerden.
Leider kursieren viele Mythen und Halbwahrheiten, die dir auf deinem Weg Steine in den Weg legen. Wenn du schon mal etwas probiert hast, du aber nur kurzfristig Erfolge hattest, weißt du, was ich meine...
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Titelbild: Getty Images Signature - canva.com
MRT-Bild des Rückens: Von Michael-W - MRT-Bild, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12398684
Frau im Bett: Getty Images - canva.com