Geierhals wegtrainieren: 4 Übungen für eine gerade Halswirbelsäule

Der Geierhals ist eine typische Fehlhaltung von Menschen, die im Büro arbeiten.

Und wenn es dir wie den meisten geht, bist du auf diesen Artikel gestoßen, weil du aus einem der folgenden Gründe deinen Geierhals wegtrainieren willst:

  1. regelmäßige Nackenverspannungen
  2. wiederkehrende Nackenschmerzen oder
  3. einfach besser aussehen.

Offen gestanden: Während ich diesen Artikel schreibe, sitze ich mehr wie eine Banane.

So richtig ergonomisch ist das nicht. Aber ist das überhaupt schlimm? Deine innere Stimme schreit wahrscheinlich "JA!"

Erwischt? Dann wird dich der Inhalt dieses Artikels überraschen.

Darin räumen wir mit weit verbreiteten Mythen auf. Zusätzlich lernst du, mit welchen Übungen du einen Geierhals wegtrainieren kannst und was bei Nackenbeschwerden tatsächlich hilft. 

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Was ist die Ursache für einen Geierhals?

Du sitzt im Büro. Am Anfang des Tages schaffst du es noch, eine aufrechte Körperhaltung einzunehmen.

Doch im Laufe des Tages fällt es dir immer schwerer. Du sitzt rund da und schiebst den Kopf immer weiter vor.

Die vorgestreckte Kopfhaltung - auch Geierhals genannt - ist ein Symbol für unsere sitzende Gesellschaft.

Geierhals wegtrainieren

Oftmals tritt dieser gemeinsam mit einem Rundrücken, hängenden Schultern und einem Hohlkreuz auf. Diese typischen muskulären Dysbalancen wurden bereits in den 1950ern von Dr. Vladimir Janda als Upper-Cross- und Lower-Cross-Syndrom beschrieben.

Und obwohl dem Geierhals viele schlimme Folgen nachgesagt werden, kann die moderne Wissenschaft dieses Bild nicht erhalten. Im nächsten Abschnitt mehr dazu.

Zunächst klären wir die Frage: Woher kommt das eigentlich? Dabei fallen vor allem 3 Faktoren ins Gewicht.

#1 Bewegungsmangel

Du hörst den Spruch mittlerweile überall: "Sitzen ist das neue Rauchen." Und obwohl der Spruch ganz schön plakativ ist, steckt doch ein Fünkchen Wahrheit darin.

Viele gesundheitliche Probleme entstehen durch Bewegungsmangel. Dabei ist Sitzen per se nichts schlimmes. Im Gegenteil! Unsere Vorfahren haben auch nicht ums Feuer gestanden.

Aber 10, 11, 12 Stunden täglich - das hinterlässt seine Spuren. Unser Körper ist dahingehend eine effiziente Anpassungsmaschine. Und wir Menschen sind nach mehreren Jahrzehnten perfekt an das Sitzen angepasst. Durch einen Geierhals können wir besser auf unser Smartphone schauen, finden jeden Tippfehler im Word-Dokument und haben ideale Voraussetzungen für stundenlanges Arbeiten im Büro.

Letztlich ist unser Körper ein sehr sparsames Wesen. Was nicht gebraucht wird, kann weg.

Dabei benötigen wir nicht viel, um unsere Gelenke und unsere Muskeln geschmeidig zu halten. Um Verkürzungen zu vermeiden, reichen schon 30 Minuten Bewegung täglich (Williams 1990).

#2 psychische Belastungen

2016 wollte ein Forscherteam an der University in Perth in Australien herausfinden, welche Gemeinsamkeiten Menschen mit verschiedenen Körperhaltungen haben und ob die Haltung mit Nackenschmerzen zusammenhängen.

Es zeigte sich, dass:

  • Je aufrechter ein Mensch ist, desto mehr Sport macht er und
  • je runder jemand sitzt, desto mehr spielen Faktoren wie Übergewicht und Depression eine Rolle.

Interessant ist auch: Die Dauer des Sitzens hängt kaum mit der Haltung zusammen. Ebenso war die Verteilung der Nackenschmerzen zwischen den Gruppen etwa gleich (Richards et al. 2016).

Bild zur Studie

Die Körperhaltung verrät also nicht nur etwas über die Bewegungsgewohnheiten eines Menschen. Sie offenbart auch etwas über sein emotionales Innenleben (O'Sullivan et al. 2011). 

Wie steht eine selbstbewusste Person da? Aufrecht. Groß. Stolze Brust. Bauch rein.

Wie verhält es sich mit einer traurigen oder depressiven Person? Krumm. Klein. Hängende Schultern. Rundrücken.

Doch weil Depression ein stigmatisiertes Wort ist und sich viele Menschen nicht damit identifizieren wollen, lass uns ein paar passendere Worte finden.

So können viele emotionale Themen mit einer krummen Haltung einhergehen:

  • Unzufriedenheit am Arbeitsplatz,
  • Erschöpfung oder Burnout,
  • Sorgen oder (Zukunfts)ängste usw.

Emotionale Themen spielen bei der Haltung eine große Rolle. Das dürfen wir immer berücksichtigen!

#3 angeborene Krankheiten

In einigen Fällen ist ein körperliche Fehlhaltung auch angeboren. Dann sprechen wir von einem Morbus Scheuermann. Dieser entsteht meistens in der Jugendzeit und ist deutlich sichtbar. Allerdings geht er praktisch nie mit Schmerzen im Erwachsenenalter einher.

Ein Geierhals kann aber auch durch rheumatisch-entzündliche Prozesse entstehen. Dabei versteifen die Wirbelsäulengelenke fortschreitend. Dieser Prozess geht oftmals mit Schmerz einher. Wir sprechen dann von einem Morbus Bechterew. Hier gilt es, das Voranschreiten der Krankheit mit den passenden Übungen zu verlangsam.

Solltest du betroffen sein, werden dir die Übungen weiter unten dabei helfen, um einen Geierhals wegtrainieren zu können.

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Was sind die Folgen von einem Geierhals?

Immer wieder liest man angstmachende Berichte, dass ein Geierhals zu Verspannungen, Nackenschmerzen oder sogar noch schlimmeren führen würde.

Und während diese Erklärungen alle plausibel klingen, sind sie rein wissenschaftlich nicht haltbar.

Wenn eine Haltung tatsächlich Probleme bereiten würde, würdest du das schnell merken. Zum Beispiel, wenn du den Kopf bis zum Anschlag zu einer Seite drehst. Du hattest schon mal nach einer Nacht, in der du dich verlegen hast, einen steifen Nacken, oder? Genau das meine ich!

Die Forschung zeigt uns ein klares Bild:

  • Es gibt keinen Zusammenhang zwischen gefühlten Verspannungen und dem realen Zustand des Gewebes (Dieterich 2020)
  • Oftmals fühlen sich schwache Muskeln steif und verspannt an ( Meakins 2015)
  • Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Haltung und Nackenbeschwerden (Straker et al 2008)
  • Der Smartphone-Nacken ist ein Mythos und sorgt nicht für Nackenschmerzen (Lehman 2014).

Und obwohl vieles, von dem man immer wieder liest, dem Reich der Märchen entspringt, kann eine vorgestreckte Kopfhaltung einige Folgen mit sich bringen. Schauen wir uns diese mal genauer an.

#1 Verspannungen

Die wohl häufigste Folge eines Geierhalses sind Verspannungen im Nacken und zwischen den Schulterblättern.

Doch dafür ist die Kopfhaltung per se nicht verantwortlich. Vielmehr ist der Bewegungsmangel über einen längeren Zeitraum der Grund. Der Körper möchte dir damit nur sagen: "Hey, bewege dich mal wieder!

Das ist, als würdest du eine Wasserflasche mit ausgestrecktem Arm halten. Irgendwann beginnen die Muskeln zu brennen und zu schmerzen. Dann ist eine Haltungsänderung genau das Richtige!

Verspannungen sind also eine Aufforderung zu Bewegung.

Und die Lösung ist so banal wie effektiv: Ändere häufig deine Haltung und baue kleine Bewegungspausen ein.

#2 Atembeschwerden

Haltung hängt also nicht unbedingt mit Schmerzen zusammen. Aber wusstest du, dass deine Körperhaltung deine Atmung beeinflusst? (Zafar et al 2018).

Eigentlich logisch. Denn damit sich das Zwerchfell ausbreiten kann, benötigt es Platz. Mit einem Rundrücken fehlt der Platz leider. Darüber hinaus schränkt eine vorgestreckte Kopfhaltung die Atemfunktionen ein (Koseki et al. 2019).

Die Folge: Es kommt weniger Sauerstoff in den Körper und wir fühlen uns schneller geistig umnachtet, ausgelaugt und müde.

Allein das ist ein guter Grund, einen Geierhals wegtrainieren zu wollen.

#3 Eingeschränkte Beweglichkeit

Würdest du gern deine Nackenbeweglichkeit verbessern? Weniger Beschwerden im Schulter-Nacken-Bereich haben?

Dann darfst du deinen Geierhals wegtrainieren. 

Denn während eine vorgestreckte Kopfhaltung nicht direkt zu Beschwerden führt, kann sie sehr wohl deine Beweglichkeit einschränken. Glaubst du nicht? Probier' es aus! Schiebe einmal deinen Kopf vor und drehe ihn zu einer Seite. Dann wiederhole es mit einer aufrechten Haltung. Beim zweiten Mal kannst du den Kopf weiterdrehen, oder?

Und das hat Auswirkungen auf den Alltag. Stell dir vor, du fährst Auto und machst mit eingeschränkter Nackenbeweglichkeit einen Schulterblick. Das wird dir schwer fallen und du wirst aus der Brustwirbelsäule kompensieren müssen.

Wir dürfen den Schulter-Nacken-Bereich also nicht losgelöst voneinander betrachten. Vielmehr beeinflussen sich die Strukturen gegenseitig (Quek et al. 2013).

Wenn die vorgestreckte Kopfhaltung und eingeschränkte Beweglichkeit mit Beschwerden zusammenhängen (nicht auslösen!), dürfen wir unbedingt einen Geierhals wegtrainieren.

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4 Übungen, mit denen du deinen Geierhals wegtrainieren kannst

Bis hierhin haben wir gesehen, dass eine vorgestreckte Kopfhaltung eine Anpassung an unseren Lebensstil ist. Wir haben gesehen, dass diese Haltung nicht zwangsläufig zu Schmerzen führt.

Jedoch kann ein Geierhals, wenn er permanent gehalten wird, zu Verspannungen, Atemproblemen und Bewegungseinschränkungen führen. 

Um einen Geierhals wegtrainieren zu können, lernst du nachfolgend 4 effektive Übungen kennen.

Übung #1: Mobilisation der Brustwirbelsäule mit Band

Kannst du deine Brustwirbelsäule gezielt bewegen? Nein? Dann ist es eine gute Idee, deine Brustwirbelsäule zu mobilisieren.

Wir haben weiter oben gesehen, dass sich Brust- und Halswirbelsäule gegenseitig beeinflussen. Um einen Geierhals wegtrainieren zu können, dürfen wir zunächst eine Etage tiefer beginnen, weil es dir so deutlich leichter fallen wird..

Als erstes empfehle ich eine Übung, die dir mit Hilfe eines Gummibandes wie diesem hier (affiliate link) hilft, die richtige Position wahrzunehmen. Und so sieht die Übung aus:

Lege das Gummiband um den oberen Rücken. Halte es mit den Händen fest.

Knie dich hin. Setz dich mit dem Gesäß auf die Fersen.

Setze die Hände etwa eine Handbreit vor den Knien auf.

Lasse dich nun von dem Band nach vorn ziehen. Atme in der Position ein.

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Kurz halten. Schiebe das Band dann mit der Brustwirbelsäule nach hinten.

Übung #2: Mobilisierung der BWS und HWS

Im nächsten Schritt verbinden wir die HWS mit der BWS. Denn das Gefühl dafür ist die Grundlage, um einen Geierhals wegtrainieren zu können.

Und so sieht die Übung aus:

Ziehe Kinn und Stirn parallel nach hinten, bis du ein Doppelkinn machst.

Gefühlt zieht die Schädelbasis dabei nach hinten und oben, sodass du knapp unterhalb des Schädelknochens einen leichten Zug spürst.

Halte die Kopfposition und schiebe dein Brustbein nach schräg vorn und oben. 

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Halte die Position kurz, atme ein und entspanne dann wieder. Wiederhole die Bewegung mehrmals.

Übung #3: Ja-Nein-Vielleicht

Die tiefen Halsflexoren sind eine Muskelgruppe, die bei nahezu jedem schwach ausgeprägt ist. Wir können eine Geierhals wegtrainieren, indem wir genau hier ansetzen (Gupta et al 2013).

Dazu nutzen wir eine Übung, die Ja-Nein-Vielleicht heißt.

Und so sieht die Übung aus:

Lege dich auf den Rücken, überkreuze deine Beine und halte sie mit den Händen fest.

Hebe deinen Kopf und mache ein Doppelbild.

Während das Kinn am Hals bleibt, bewegst du deinen Kopf abwechselnd in einer Ja-, in einer Nein- und einer Vielleicht-Bewegung.

Ziel sind 20 Wiederholungen pro Bewegungsrichtung.

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Übung #4: Blickstabilisation im Gehen

Die Blickstabilisation beim Gehen ist mittlerweile eine feste Größe in meinem Übungsrepertoire. Denn insbesondere Augenbewegungen hängen über den vestibulookulären Reflex eng mit dem Nacken zusammen  (Sánchez-González 2019).

Oftmals werden Augenübungen vergessen, gehören aber in jeden guten Plan, wenn wir einen Geierhals wegtrainieren wollen.

Und so sieht die Übung aus:

Nimm dir einen Stift. Halte ihn auf Augenhöhe und fixiere ihn mit beiden Augen.

Während du dich vorwärts bewegst, drehst du den Kopf in verschiedene Richtungen.

Dabei bleibt der Blick immer auf den Stift gerichtet.

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Bewege den Kopf sowohl zu den Seiten, als auch nach oben und unten. Zusätzlich darfst du den Kopf in die diagonalen Richtungen bewegen. Gibt es eine Richtung, die dir besonders schwer fällt?

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Jetzt bist du dran!

Da du den Artikel bis hierhin gelesen hast, gehe ich davon aus, dass du ernsthaft daran interessiert bist, deine körperlichen Beschwerden loszuwerden.

Leider ist es nicht immer leicht, die richtigen Übungen zu finden. Vor allem weil du bei Google oft widersprüchliche Vorschläge findest.

Darum habe ich eine kostenfreie 5 Tage Challenge erstellt. Diese gibt dir einen klaren Fahrplan und hilft dir, deine Dysbalancen in der Schulter zu erkennen [Tag 1], ein stabiles Fundament für deinen Schulter-Nacken-Bereich zu schaffen [Tag 2], deine Schulterblätter zu befreien [Tag 3] und viele weitere wichtige Tipps und Methoden.

Das Ergebnis: Du weißt genau, was du Schritt für Schritt machen sollst.

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Über Felix

Meine Name ist Felix Kade und ich arbeite als Personal Trainer in Leipzig, sowie als Dozent für (Reha-)Trainer in ganz Deutschland. Unter anderem bin ich ausgebildet als medizinischer Fitnesstrainer, Reha-Trainer für Orthopädie, Faszientrainer und vieles mehr.
Durch moderne Erkenntnisse aus der Neuro- & Schmerzwissenschaft helfe ich meinen Klienten, den Schmerzkreislauf schneller hinter sich zu lassen und wieder mehr Zeit sowie Energie für die wichtigen Dinge im Leben zu haben.

Bildernachweis im Artikel "Geierhals wegtrainieren":

Titelbild: Getty Images - canva.com

Frau mit Fehlhaltung: Getty Images Pro - canva.com

Psychische Belastungen und Forward Head: Richards. K.V. et al. (2016): Neck Posture Clusters and Their Association With Biopsychosocial Factors and Neck Pain in Australian Adolescents. In: Physical Therapy, Volume 96, Issue 10, 1 October 2016, Pages 1576–1587, https://doi.org/10.2522/ptj.20150660

 

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