Unspezifische Rückenschmerzen gibt es nicht (und wie du als Physio besser befundest)

„Ein Bandscheibenvorfall zählt immer als unspezifischer Rückenschmerz“, sagt ein Kollege.

Ich schaue skeptisch und merke schnell: Die Diskussion führt zu nichts. Das ist jemand, der tief in seiner Bubble steckt. Er wird niemals differenziert denken oder seine Sichtweise ändern.

Denn die Diagnose „unspezifischer Rückenschmerz“ ist nutzlos.

Aber versteh mich nicht falsch: Faktisch ist sie absolut korrekt. In der diagnostischen Triage musst du nur drei Dinge kennen:

  • Ernsthafte Ursachen
  • Ausstrahlender Rückenschmerz
  • Unspezifische Rückenschmerzen

Und der Grund ist einfach: Wir können bei unspezifischen Rückenschmerzen nicht exakt sagen, welche Struktur der Auslöser für die Schmerzen ist.

Aber weißt du, was diese Diagnose mit den Betroffenen macht? Sie haben Gedanken wie:

  • „Ich bilde mir meine Beschwerden ein“
  • „Ich weiß nicht, was mit mir los ist und darum können sie mir nicht helfen“
  • „Ich muss mich selber darum kümmern“ und fühlen sich hilflos, weil sie keine Ahnung haben, was sie machen sollen

Dein Job als Therapeut und Trainer ist es, diese Diagnose spezifisch für den Kunden oder Patienten zu machen. Und darum soll es in diesem Artikel gehen. Wir sprechen darüber:

  • Warum unspezifische Rückenschmerzen doch nicht so unspezifisch ist, wie oft behauptet wird,
  • Wie du dieses Wissen nutzen kannst, um deinen Kunden oder Patienten zielführend aufzuklären (ohne ein Anatomie-Freak werden zu müssen)
  • Wie du passende Übungen findest, um deinen Kunden oder Patienten zu helfen.

Wichtiger Hinweis

Dieser Artikel ist nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben und enthält aktuelle Ergebnisse aus der modernen Forschung. Dennoch ersetzen die Inhalte keine ärztliche Beratung, sondern dienen lediglich der Information.

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Unspezifischer Rückenschmerzen ist nicht so unspezifisch, wie viele behaupten

Auf jeder zweiten Seite bei Google steht es: 85% aller Rückenschmerzen sind unspezifisch. Das ist eine ganze Menge. Und wie eingangs gesagt: Der wissenschaftliche Konsens schlägt einen ähnlichen Tenor an.

Doch dann gibt es ein paar Studien, welche daran zweifeln lassen. Aber eines nach dem anderen.

Was sind eigentlich unspezifische Rückenschmerzen und wie werden sie klassifiziert?

Die Diagnose „unspezifischer Rückenschmerz“ wird vergeben, wenn keine klare strukturelle Ursache für Rückenschmerzen identifiziert werden kann. In der diagnostischen Triage bedeutet dies:

  • Es gibt keine Anzeichen für eine ernsthafte Ursache
  • Es gibt keine ausstrahlenden Symptome, Taubheit etc.

Übrigens: Wenn dich ausstrahlende Beschwerden im Unterkörper verunsichern, findest du im Unterkörper Nerven Leitfaden Expertenwissen sowie strukturierte Testing- und Behandlungsstrategien.

Daher fällt erstmal ALLES ohne ernsthafte Symptome oder Nervenbeteiligung in diese Kategorie. Der Vorteil: Unnötige MRTs können vermieden werden, was das Gesundheitssystem entlastet und keine unnötigen Ängste beim Patienten schürt. Win-Win, oder?

Jein.

Denn ALLE möglichen Ursachen für Rückenschmerzen in einen Topf zu werfen, macht wenig Sinn. Oder würdest du eine Muskelzerrung genau so behandeln wie eine Bänderruptur wie einen Knochenbruch? Nein, oder?

Doch genau das wird bei unspezifischen Rückenschmerzen gemacht!

Das Hauptargument: Selbst wenn im MRT etwas gefunden werden kann, ist dies nicht immer symptomatisch [1] Damit lässt sich erstmal nicht argumentieren.

Außer damit, dass DERSELBE Autor im selben eine zweite Studie veröffentlicht hat, die zeigt, dass sich bei Menschen mit Rückenschmerzen strukturelle Veränderungen HÄUFIGER finden lassen [2].

Darüber hinaus lassen sich (abhängig von der Untersuchung) 50-70% der unspezifischen Rückenschmerzen auf die Bandscheiben zurückführen [3], z.B. durch:

  • Risse im Anulus Fibrosus
  • Internal Disc Disruption
  • Bulging, was nur im Upright MRI sichtbar ist, nicht im liegenden MRT [4]

Zusätzlich konnte in verschiedenen Untersuchungen mit Upright MRI gezeigt werden, wie Auffälligkeiten erst in bestimmten Positionen sichtbar werden [4]. Dann werden da auf einmal Gleitwirbel, Stenosen oder Bandscheibenvorfälle nur in bestimmten Positionen sichtbar, welche in einem liegenden MRT übersehen wurden.

Du siehst, wie der Bandscheibenvorfall positionsabhängig ist und in diesem Fall im Stehen mehr wird.

An der Stelle fragst du dich vielleicht: Okay, was fange ich mit diesen Informationen jetzt an? Genau dies führt uns nahtlos zum zweiten Abschnitt diesem Artikel:

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Wie du unspezifische Rückenschmerzen spezifisch machst

Wir können also nicht genau sagen, aufgrund welcher Struktur Rückenschmerzen auftreten. Das ist aber keine Ausrede, um unspezifische Rückenschmerzen komplett über psychosoziale Faktoren zu erklären oder ein Standard-Rehaplan für alle zu nutzen – wie es manche machen.

Wir dürfen nicht vergessen: In einem biopsychosozialen Modell spielt die Biologie noch immer eine große Rolle. Und wie wir durch die bewegungs- und positionsabhängigen MRTs gesehen haben, sind Schmerzen nicht so zufällig, wie es manchmal erscheint.

Craig Liebenson beschreibt in seinem fantastischen Buch „Rehabilitation of the Spine: A Patient-Centered Approach“, wie die Ursache für Nozizeption IMMER im Gewebe liegt. Und dass psychosoziale Faktoren wie Stress, Schlafmangel, Unzufriedenheit, Ängste usw lediglich Mediatoren sind.

Denn ernsthaft: Wenn Stress oder Schlafmangel zu Rückenschmerzen führen würde, wäre ich als junger Papa echt am Arsch (meinem Rücken geht es super. Keine Angst!).

Menschen suchen halt IMMER einfache Antworten für komplexe Probleme. Früher waren es halt eine schiefe Körperhaltung, verkürzte Hüftbeuger oder verklebte Faszien. Der moderne Simplifizist schiebt es eben auf Stress, Schlaf oder schlechte Beziehungen.

Ich drifte ab. Zurück zum Thema.

Um Prof. Dr. Stuart McGill zu zitieren: There is no such thing as non specific low back pain.

Damit meint McGill NICHT, dass wir immer sagen können, welche Struktur betroffen ist. Er meint, dass es unsere Aufgabe als Trainer und Therapeut ist, Die Rückenschmerzen spezifisch zu machen.

  • Ist der Rückenschmerzen entzündungsbedingt oder mechanisch?
  • Unter welchen Bedingungen lassen sich die Symptome auslösen?
  • Reagiert derjenige auf Flexion, Extension, Kompression oder alles?
  • Gibt es über den Tag verteilt ein bestimmtes Muster?
  • Treten sie immer sofort auf oder erst ab einer gewissen Dauer / Intensität?
  • Macht derjenige Sport oder ist die Person eine Couch Potato?
  • Gibt es beitragende psychosoziale Faktoren, welche eine adäquate Belastung oder Regeneration verhindern?

Und das Beste ist: Dafür musst du nicht einmal die Anatomie der Wirbelsäule oder alle möglichen Pathologien im Detail kennen!

Du musst nur Red Flags (die übrigens super selten sind!) und ausstrahlende Beschwerden (die nicht ganz so selten sind) erkennen können. Und diese Informationen kannst du mit wenigen, aber zielführenden Tests erhalten, sodass du selbst in 5-10 Minuten alle wichtigen Informationen erhältst.

Mit all diesen Informationen können wir passgenau vorgehen. Dann gibt es einen individuellen Behandlungsplan statt die generischen Rumpfübungen.

Wie das im Detail funktioniert und welchen Behandlungsplan du bei welchem Befund machen kannst, lernst du alles in der Schmerzanalyse bei Rückenschmerzen.

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Wie du passende Übungen für Rückenschmerzis findest

Was ist eigentlich Schmerz? Vereinfacht gesagt ist Schmerz ein Alarmsignal. Er soll uns motivieren, eine bestimmte Struktur in einer bestimmten Position oder Haltung zu entlasten. Diese unangenehme Sinneswahrnehmung kann durch Emotionen und unser soziales Umfeld moduliert werden.

Und auf Social Media findest du tausende Erklärungsmodelle, wie Schmerzen erklärt werden können. Für die Argumentation in diesem Artikel vereinfache ich es wieder. Dazu müssen wir zwei Dinge verstehen:

  • Die Gewebekapazität unserer Gewebe, bevor sie kaputt gehen
  • Die Belastungstoleranz unserer Gewebe, bevor eine Schmerzantwort auftritt

Und da unser Körper schlau ist, wird er (meistens) eine Schmerzantwort senden, BEVOR Gewebe kaputt geht. Das bedeutet: Schmerz ist nicht gleich Gewebeschaden (was für viele Betroffene eine wichtige Botschaft ist).

Der Körper signalisiert, dass in der schmerzhaften Struktur zu viel Stress ankommt bzw. diese mit Stress nicht gut umgehen kann. Damit der Körper und die betroffene Struktur wieder besser mit Stress/ Belastung umgehen kann, dürfen wir zwei Dinge tun:

  • Die betroffene Struktur belastbarer machen
  • Den Stress auf mehrere Strukturen verteilen, sodass die Konzentration auf eine Struktur niedriger ist

Und auch dies weißt du nach einer strukturierten Schmerzanalyse. Du weißt, welche Struktur bzw. welche Bewegung wenig Belastung toleriert. Und du weißt, welche Bewegungseinschränkungen oder schwachen Muskeln dazu führen, dass viel Stress im Rücken landet.

Und that’s it. Rückenschmerzen müssen nicht kompliziert sein. Solange du ein paar wenige, aber wichtige Dinge auf dem Schirm hast, musst du es nicht komplizierter machen als es ist.

Darum haben wir in diesem Artikel ausführlich darüber gesprochen:

  • warum es unspezifische Rückenschmerzen eigentlich nicht gibt,
  • wie du herausfindest, wo du in der Therapie ansetzen solltest und
  • wie du daraus einen strukturierten Behandlungsplan baust.

Du siehst: Alles startet mit einer strukturierten Schmerzanalyse. Diese liefert dir alle Antworten für deine Behandlung, sodass du genau weißt, was du wann machen musst. So hast du immer einen Plan und betreust deine Patienten selbstbewusst und kompetent (selbst wenn es schon freitags 17 Uhr ist und du gedanklich schon im Wochenende bist).

Wie dieser Prozess im Detail aussieht, lernst du in der Schmerzanalyse bei Rückenschmerzen.

Mit dem Onlinekurs bekommst du bekommst:

  • Einen einfachen und reproduzierbaren Leitfaden, der dich Schritt für Schritt durch das Testing bei Rückenschmerzen führt
  • Einfache Tests, um die Schmerzauslöser herauszufinden (diese lassen sich sogar in der Onlinebetreuung nutzen!)
  • Anamnese- und Fragebögen sowie Flowcharts, um Daten objektiv zu messen und nichts zu vergessen
  • Vom Befund zum Behandlungsplan: Ein komplettes Modul, dass dir hilft einen individuellen Behandlungsplan zu erstellen
  • 5 Case Studies von echten Fällen, wo du siehst, welche Tests ich gemacht habe und was das für die Behandlung bedeutet
  • Bonus #1: Der Stundenaufbau für ein 6er-Rezept: Statt deine Patienten zu überfordern, weil du alles auf einmal machst, siehst du genau, was du wann machen kannst
  • Bonus #2: Der Patientenflyer für’s Wartezimmer: Der Flyer nimmt dir die Edukation schon vor der ersten Stunde ab und hilft dir, deine Patienten auf den richtigen Weg zu bringen
  • Bonus #3: Kommunikation in der Physio: Wie gehst du mit schwierigen Patienten um und kannst sie motivieren? (Interview mit Sarah Hahn)

Hier erfährst du mehr zum Onlinekurs.

Über Felix

Meine Name ist Felix Kade und ich arbeite als Personal Trainer in Leipzig, sowie als Dozent für (Reha-)Trainer in ganz Deutschland. Unter anderem bin ich ausgebildet als medizinischer Fitnesstrainer, Reha-Trainer für Orthopädie, Faszientrainer und vieles mehr.
Durch moderne Erkenntnisse aus der Neuro- & Schmerzwissenschaft helfe ich meinen Klienten, den Schmerzkreislauf schneller hinter sich zu lassen und wieder mehr Zeit sowie Energie für die wichtigen Dinge im Leben zu haben.

Quellennachweis:

[1] Brinjikji et al. (2015): Brinjikji, W., Luetmer, P. H., Comstock, B., Bresnahan, B. W., Chen, L. E., Deyo, R. A., ... & Jarvik, J. G. (2015). Systematic literature review of imaging features of spinal degeneration in asymptomatic populations. American journal of neuroradiology, 36(4), 811-816.

[2] Brinjikji et al. (2015): Brinjikji, W., Diehn, F. E., Jarvik, J. G., Carr, C. M., Kallmes, D. F., Murad, M. H., & Luetmer, P. H. (2015). MRI findings of disc degeneration are more prevalent in adults with low back pain than in asymptomatic controls: a systematic review and meta-analysis. American Journal of Neuroradiology, 36(12), 2394-2399.

[3] Hyodo H, Sato T, Sasaki H, Tanaka Y. Discogenic pain in acute nonspecific low-back pain. Eur Spine J. 2005 Aug;14(6):573-7. doi: 10.1007/s00586-004-0844-8. Epub 2005 Jan 25. PMID: 15668774; PMCID: PMC3489234.

[4]Alyas, F., Connell, D., & Saifuddin, A. (2008). Upright positional MRI of the lumbar spine. Clinical radiology63(9), 1035-1048.

Bildernachweis:

Titelbild: Mabdelrazek - canva.com

MRT: Alyas, F., Connell, D., & Saifuddin, A. (2008). Upright positional MRI of the lumbar spine. Clinical radiology63(9), 1035-1048.

Schmerztoleranz: eigene Grafik

 

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