Stell dir vor, du leidest seit 10 Jahren unter Rückenschmerzen und diese bestimmen dein Leben.
Du traust dir immer weniger zu.
Und fast alles, was du gerne machst, kannst du nur noch mit einer fetten Quittung am nächsten Tag machen.
So ging es Markus im Ersttermin.
6 Monate später hatte er das erste Mal sein 10 Jahren einen komplett schmerzfreien Monat (natürlich gab es auf dem Weg einige Rückschläge).
In diesem Artikel zeige ich dir, wie wir das geschafft haben. Konkret erfährst du:
- Welche Faktoren in der Vorgeschichte und Anamnese auffällig waren,
- Welche Ergebnisse beim Testing herausgekommen sind,
- Wie wir basierend auf den Tests Übungen ausgewählt haben, sodass Markus 6 Monate später das erste Mal einen schmerzfreien Monat hatte und
- Wie wir in der Zeit mit Rückschlägen umgegangen sind.
Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel ist nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben und enthält aktuelle Ergebnisse aus der modernen Forschung. Dennoch ersetzen die Inhalte keine ärztliche Beratung, sondern dienen lediglich der Information.
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Die Vorgeschichte und Anamnese
"Manchmal erkenne ich mich selbst nicht wieder." Markus sitzt zusammengesunken vor mir. Er erzählt, wie er seit 10 Jahren mit den Rückenschmerzen kämpft.
Und eigentlich gab es keinen direkten Auslöser.
Es begann schleichend und wurde über die Jahre schlimmer. Bis die Beschwerden vor 3 Jahren stark zunahmen und er "nicht wieder zurückgefunden" hat.
"Es gibt Momente, da bin ich so frustriert, dann lasse ich es an meiner Partnerin aus" schildert Markus beschämt. Er sagt, sie kenne ihn so gar nicht.
Außerdem war er früher sehr sportlich, hat regelmäßig Krafttraining gemacht. Seit die Beschwerden stark zugenommen haben, traut er sich es aber nicht mehr zu. Denn dadurch habe er immer einen starken Rückfall erlebt.
Markus beschreibt eine typische Coping-Strategie von Menschen mit langanhaltenden Rückenschmerzen. Er hat schon "alles probiert":
- Spritzen (keine Veränderung)
- Einrenken (kurzfristige Linderung)
- Osteopathie (kurzfristige Linderung)
- Dehnübungen (hat es verschlimmert)
- Reiki (war sehr entspannend)
Dann frage ich ihn, wann seine Beschwerden auftreten, was sie verschlimmert und besser macht.
"Mehrmals täglich, oft auch dauerhaft, in der Nacht ist es okay."
Zusätzlich gibt er an, dass langes Sitzen (sitzender Beruf) und manchmal langes Stehen, sowie Socken anziehen und selten auf dem Rücken liegen die Beschwerden verstärkt.
Besser werden sie beim Laufen oder wenn er Rückenübungen macht. Aber eigentlich würde er gern wieder Krafttraining machen.
Was wir bereits aus der Anamnese entnehmen können:
- ausgeprägtes Angst-Vermeidungs-Verhalten
- eventuelle Schmerzverstärkung durch negative Emotion
- flexionsbasierte Tätigkeiten (z.B. Sitzen) verstärken die Symptomatik
- kein konkretes Ereignis und keine Beschreibung von neurologischen Symptomen
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Das Assessment
Nach der Anamnese ging es zum Assessment über. Kurz und knapp: Neurologisch und orthopädisch war Markus so unauffällig, wie es nur sein kann.
Also ab zum funktionellen Testen. Hier fällt bereits bei der Vorbeuge auf, wie zögerlich und langsam Markus sich bewegt. Ein klares Zeichen von Unsicherheit und Angst.
Abgesehen davon war die Range of Motion in der Wirbelsäule und der Hüfte sehr gut.
In den Krafttests zeigte Markus vor allem beim Biering Sorensen Test eine Schwäche.
Hier schaffte er im ersten Termin nur 32 Sekunden.
Auch hier zeigte er starke Anspannung, als er sich für den Test bereit machte.
Basierend auf den Testergebnissen lag der Fokus am Anfang auf drei Punkten:
- Kraftausdauer in der hinteren Kette aufbauen
- Rückversicherung über Belastbarkeit des Rücken
- Markus so schnell wie möglich wieder ins Krafttraining bringen
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Die Übungen & Umgang mit Rückschlägen
Wie so viele andere auch hat Markus leider viel Unsinn über Rückenschmerzen und die Belastbarkeit der Lendenwirbelsäule gehört.
Wir nahmen uns ausreichend Zeit, um über folgende Punkte zu sprechen:
- Schmerzen sind multifaktoriell und werden von allen Lebensbereichen beeinflusst
- Schmerz ist nicht gleich Gewebeschaden und eine Schmerzverstärkung heißt nicht, dass etwas kaputt ist
- aktive vs. passive Coping-Strategien im Umgang mit Schmerzen
Diese Aufklärung entspannte Markus deutlich und steigerte seine Zuversicht. Also ran an die Übungen.
Sein Programm war am Anfang sehr simpel: Push, Pull, Squat, Hinge (und bisschen Bizeps für den Spaß). Erinnerung: Er wollte wieder Krafttraining machen. Also machen wir genau das.
Auch die Übungsvarianten waren einfach gehalten:
- Push: Liegestütz mit Händen erhöht
- Pull: Latzug am Kabelturm
- Squat: Goblet Box Squat mit langsamen Tempo
- Hinge: Iso Holds am Rückenstrecker
Die Belastungsparameter der letzten Übung sind das spannende: Wir haben mit 2x30 Sekunden Iso Hold gestartet. Der Grund für den sanften Einstieg war das Ergebnis beim Biering Sorensen Test und die Angst vor Belastung.
Markus sollte sich dann von Workout zu Workout um 5 Sekunden steigern, bis er bei 3x60 Sekunden ankommt.
6 Wochen später trafen wir uns wieder. Markus grinste über beide Ohren und schaffte im Biering Sorensen Test 1 Minute und 34 Sekunden.
Doch es sollte noch ein weiter weg zum ersten schmerzfreien Monat werden...
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Die Rückschläge und der Umgang damit
Reha ist leider kein geradliniger Prozess. Er gleicht viel mehr einem Börsenkurs.
Es gibt Zeiten, da steht der Kurs, dann fällt er wieder, nur damit er kurz darauf wieder steigt. Und das ist völlig normal!
Solange der Trend insgesamt nach oben geht, sind wir auf dem richtigen Weg!
Auch Markus musste 3 große Hürden meistern, bis er das erste Mal eine längere Phase ohne Schmerzen hatte.
Der erste Rückschlag kam 2 Wochen nach dem Assessment. Obwohl die ersten Trainings gut liefen, ist es ihm bei den Kniebeugen in den Rücken geschossen. Er schickte mir folgende Nachricht:
Normalerweise hätte Markus jetzt wieder pausiert und gewartet, bis die Schmerzen weg sind. Nach einem kurzen Gespräch ist er am nächsten Tag wieder ins Training gegangen. Die einzige Anpassung: Die Kniebeugen ohne Gewicht ausführen. Ab da lief es lange Zeit super.
Der zweite Rückschlag kam 3 Monate später. Corona hat Markus für zwei Wochen flach gelegt. Leider geht es vielen Betroffenen so, dass sie während und nach einer Krankheit einen starken Rückfall erleben.
Dabei geht nichts kaputt. Jedoch arbeitet Nerven- und Immunsystem während der Erkältung eng zusammen, was zu einer Schmerzverstärkung führen kann. Auch hier hat ihn ein kurzes Gespräch Sicherheit gegeben und er trainierte weiter.
Der dritte Rückschlag kam unerwartet. Es lief so gut, dass Markus das erste Mal 2 Wochen schmerzfrei war. Er schickte mir noch diese Nachricht:
Typischer Fehler: Er sah dies als Anlass, im Training noch mehr Gas zu geben und neue Übungen auszuprobieren. Den Rückfall hast du damit schon kommen sehen...
Wir sprachen erneut über Coping-Strategien und wie eine sinnvolle Trainingsplanung aufgebaut ist. Eine Woche später war Markus wieder auf Kurs. Die schmerzfreien Phasen werden seitdem immer häufiger und länger.
Und das Beste: Er lässt seinen Frust nicht mehr an seiner Partnerin aus, kann mit ihr wieder mehr unternehmen, genießt seinen geliebten Kraftsport und vertraut auf die Belastbarkeit seines Rückens.
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Zusammenfassung
Markus ist ein typisches Beispiel von vielen. Für ihn scheint die Situation ausweglos und er ist frustriert. Gefangen im Schmerzteufelskreis traut er sich immer weniger zu. Gleichzeitig dekonditioniert sein Rücken zunehmend.
Mit Hilfe eines strukturierten Assessments haben wir herausgefunden, wo wir bei Markus ansetzen mussten und wie ein konkreter Fahrplan für ihn aussehen sollte.
Ein halbes Jahr später hatte er das erste Mal einen kompletten Monat ohne Rückenschmerzen.
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