OP nach Bandscheibenvorfall - ja oder nein?
Ich unterhalte mich mit Luise, die mir von ihrer Geschichte erzählt. Für sie war eine OP nach Bandscheibenvorfall genau das Richtige. Ohne sie würde sie heute nicht ihren Lieblingssport machen können.
Und obwohl nach einem Bandscheibenvorfall schnell über eine Operation nachgedacht wird, ist es nicht für jeden die beste Option.
Leider ist es nicht so einfach, die richtige Entscheidung zu treffen.
Um dich dabei zu unterstützen, erfährst du in diesem Artikel:
- Warum Bandscheibenvorfälle normaler sind als angenommen,
- Wie die natürlichen Heilungschancen sind und
- Wann eine OP nach Bandscheibenvorfall notwendig ist.
Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel ist nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben und enthält aktuelle Ergebnisse aus der modernen Forschung. Dennoch ersetzen die Inhalte keine ärztliche Beratung, sondern dienen lediglich der Information.
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Bandscheibenvorfälle sind normaler als angenommen
Bei dem Wort "Bandscheibenvorfall" klingeln häufig die Alarmglocken.
Damit einher gehen Gedanken an Schmerzen, Lähmungserscheinungen, Taubheit usw.
Kein Wunder, dass bei Rückenproblemen immer eine unterschwellige Angst vor einem Bandscheibenvorfall mitschwingt.
Und noch vor einigen Jahren dachte man, ein Bandscheibenvorfall wäre tatsächlich in vielen Fällen so schlimm, wie es häufig gesagt wird. Doch die moderne Schmerzforschung ist mittlerweile einen Schritt weiter.
Diverse Untersuchungen an schmerzfreien Menschen konnten immer wieder zeigen, dass diese auch Veränderungen an der Wirbelsäule und den Bandscheiben haben.
So zeigte eine Studie aus dem American Journal of Radiology (Brinjikji et al. 2015) die Befunde von 3110 schmerzfreien Menschen und fand:
Mit freundlicher Genehmigung von Dominik Czerny.
- In der Gruppe der 20 bis 30-jährigen haben 30% einen Bandscheibenvorfall, 29% eine Vorwölbung und 37% eine Degeneration
- In der Gruppe der 30 bis 40-jährigen haben 40% einen Bandscheibenvorfall, 31% eine Vorwölbung und 52% eine Degeneration
- In der Gruppe der 40 bis 50-jährigen haben 50% einen Bandscheibenvorfall, 33% eine Vorwölbung und 68% eine Degeneration
Ein Bandscheibenvorfall bleibt also in vielen Fällen unerkannt und muss nicht zwangsläufig für Probleme sorgen. Das dürfte das Bild des schlimmen Bandscheibenvorfalls etwas relativieren, oder?
Und dennoch gibt es die Fälle, in denen ein Bandscheibenvorfall durchaus zu schmerzhaften Beschwerden führt. Ist das dann für immer so oder heilt das auch wieder? Das ist wichtig, um einzuschätzen, ob eine OP nach Bandscheibenvorfall notwendig ist oder nicht.
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Der natürliche Verlauf von Bandscheibenvorfällen
Stell dir vor, du knickst mit dem Knöchel um. Wie würdest du das Sprunggelenk dann behandeln? Würdest du es normal weiter belasten? Oder gönnst du deinem Fuß einige Zeit Ruhe, sodass sich das Gewebe erholen kann? Und fängst du dann an, den Fuß nach und nach wieder mehr zu belasten, bis du irgendwann gar nicht mehr daran denkst?
Wie behandelst du einen Bandscheibenvorfall? Lässt du ein MRT machen? Denkst du, dein Rücken bleibt jetzt für immer so? Schonst du dich bis an dein Lebensende?
Seltsamerweise werden Verletzungen an der Wirbelsäule anders behandelt als in den Gliedmaßen.
Fakt ist aber: Auch bei einem Bandscheibenvorfall findet eine Wundheilung statt. So konnten diverse Untersuchungen zeigen, dass:
- Bandscheibenvorfälle spontan resorbiert werden können (Kaskil et al. 2004; Teplick et al. 1985),
- eine spontane Heilung wahrscheinlicher ist, je größer der Vorfall (Chiu et al. 2017) und
- nur sehr wenige Bandscheibenvorfälle mit der Zeit schlimmer werden (Bozzao et al. 1992).
Diese Ergebnisse stimmen zuversichtlich! Und doch wird eine OP nach Bandscheibenvorfall dadurch nicht zwangsweise unnötig. Entscheidender ist die Art des Vorfalls und damit einhergehende Symptome.
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Wann ist eine OP nach Bandscheibenvorfall notwendig?
Ein symptomatischer Bandscheibenvorfall ist schlimm.
Hier soll kein gegenteiliger Eindruck entstehen!
Im Gegenteil: Starke Rückenschmerzen, ausstrahlende Beschwerden, Taubheit - sich da Sorgen zu machen und Angst zu haben, ist völlig normal!
Links: Die erste Aufnahme. Rechts: Ein paar Wochen nach dem ersten MRT. Der Vorfall hat sich deutlich reduziert. Quelle: Cribb et al. (2007): Observations on the natural history of massive lumbar disc herniation.
Und selbst wenn sich jemand mit dem Thema und den aktuellen Studien sehr gut auskennt, verschont ihn das nicht vor diesen Gefühlen und Gedanken.
Das zeigt der bekannte Physiotherapeut Adam Meakins mit seiner kürzlichen Rückenverletzung in diesem Artikel.
Doch zurück zur eigentlichen Frage, ob eine OP nach Bandscheibenvorfall notwendig ist. Dazu müssen wir die Symptome genauer differenzieren. Denn zusätzlich zu Rückenschmerzen können noch ausstrahlende Beschwerden auftreten. Diese lassen sich unterscheiden in:
- Radikuläre Schmerzen beschreiben ausstrahlende Schmerzen ins Bein, die aufgrund einer Entzündung an der Nervenwurzel entstehen
- Radikulopathie beschreibe Taubheit, motorische Ausfälle und Lähmungserscheinungen, die entstehen, weil etwas auf die Nervenwurzel drückt.
Und obwohl ausstrahlende Schmerzen im Bein belastend sind, ist der natürliche Verlauf sehr gut. In der Regel verbessern sich die Beschwerden innerhalb von 6 Wochen. Falls nicht, kann eine Injektion mit Corticosteroiden unterstützend helfen (Patel et al. 2018).
Zusätzlich können dich die Tipps aus diesem Artikel unterstützen.
Ebenso ist der Verlauf einer Radikulopathie gut. Wenn nur Taubheit auftritt, verbessern sich die Beschwerden bei 80% der Betroffenen innerhalb von 6 Wochen. Nach 24 Wochen haben 93% keine Beschwerden mehr (Dydyk, Khan 2021; Sharma et al. 2012). Das gilt auch, wenn nur ein leichter Kraftverlust vorliegt, der den Alltag nicht einschränkt.
Der Durchschnitt für die meisten Betroffenen liegt irgendwo bei 16 Wochen, also rund 4 Monate.
Das ist viel Zeit. Doch der Erfolg einer OP nach Bandscheibenvorfall ist größer, je früher sie durchgeführt wird. Darum schauen wir uns als nächstes an, welche Symptome eine OP rechtfertigen.
Bei diesen Symptomen sollte ein OP nach Bandscheibenvorfall in Erwägung gezogen werden
In vielen Fällen ist der Verlauf gut und macht eine OP nach Bandscheibenvorfall unnötig (siehe z.B. Benoist 2002; Balaji et al. 2014; Casey 2011).
So schwierig es ist. Du darfst versuchen ruhig und geduldig zu bleiben. Lass die Selbstheilungskräfte deines Körpers wirken.
Doch natürlich gibt es auch die Fälle, die eine OP nach Bandscheibenvorfall notwendig machen.
Eindeutige Indikatoren dafür sind:
- stark eingeschränkte oder nicht vorhandene Reflexe,
- massive Kraftverluste, die den Alltag einschränken,
- Beschwerden, die länger als 6 Wochen bestehen und/ oder
- ausstrahlende Beschwerden, die mit der Zeit zunehmen.
Einfach gesagt: Je stärker die motorischen Einschränkungen, desto eher ist eine OP angeraten (Sharma et al. 2012).
Darüber hinaus ist bei einem Kontrollverlust des Stuhlgangs, Inkontinenz oder sexuellen Dysfunktionen ein sofortiges Handeln gefragt. Lass das bitte umgehend abklären!
Auch wenn du unsicher bist, ob deine Symptome für eine OP nach Bandscheibenvorfall sprechen, darfst du dich beraten lassen.
Vorteile einer OP nach Bandscheibenvorfall
Du darfst dir bewusst sein, dass eine OP immer einen Eingriff in deinen Körper darstellt. Dies ist IMMER mit Risiken verbunden. Lass dich dahingehend bitte von einem Arzt aufklären und suche dir keine Hilfe im Internet.
Jedoch sei gesagt, dass eine OP auch Vorteile hat. So zeigen Patienten nach einer OP eine schnellere Regeneration als nicht-operierte. Viele Betroffene haben nach 6 Wochen wieder die volle Funktion zurück. Bei anderen kann es aber bis zu zwei Jahre dauern (Dydyk, Khan 2021).
Kurzfristig ist die Schmerzlinderung mit einer OP nach Bandscheibenvorfall also schneller. Nach einem Jahr macht es aber kaum einen Unterschied, ob operativ oder konservativ behandelt wurde (Sharma et al. 2012).
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Jetzt bist du dran!
Da du den Artikel bis hierhin gelesen hast, gehe ich davon aus, dass du ernsthaft daran interessiert bist, deine Bandscheibenprobleme loszuwerden.
Leider kursieren viele Mythen und Halbwahrheiten, die dir auf deinem Weg Steine in den Weg legen. Wenn du schon mal etwas probiert hast, du aber nur kurzfristig Erfolge hattest, weißt du, was ich meine...
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Über Felix
Meine Name ist Felix Kade und ich arbeite als Personal Trainer in Leipzig, sowie als Dozent für (Reha-)Trainer in ganz Deutschland. Unter anderem bin ich ausgebildet als medizinischer Fitnesstrainer, Reha-Trainer für Orthopädie, Faszientrainer und vieles mehr.
Durch moderne Erkenntnisse aus der Neuro- & Schmerzwissenschaft helfe ich meinen Klienten, den Schmerzkreislauf schneller hinter sich zu lassen und wieder mehr Zeit sowie Energie für die wichtigen Dinge im Leben zu haben.
Titelbild: Getty Images Pro - canva.com
Grafik asymptomatische Wirbelsäulen Funde: Dominik Czerny - Schmerzen verstehen und effektiv behandeln