Hast du Schmerzen im Gesäß, die eventuell sogar ins Bein ausstrahlen?
Dann liegt der Verdacht nahe, dass es sich um ein Piriformis-Syndrom handelt.
Auch ich war davon schon betroffen und weiß, wie nervig es ist, wenn der Lieblingssport nicht mehr geht, wie man will oder in bestimmten Sitzpositionen das Bein einschläft.
Viele Betroffene machen ähnliche Erfahrungen wie ich: Pauschallösungen helfen kurzfristig, aber die Beschwerden kommen immer wieder.
Der Grund: Es werden nur Symptome behandelt, aber nicht die Ursache.
Doch mit einem guten Testverfahren lässt sich bestimmen, was langfristig bei dir helfen wird.
Darum erfährst du in diesem Artikel:
- Was das Piriformis-Syndrom eigentlich ist,
- ob bei dir ein zu "kurzer" oder zu "langer" Piriformis dahintersteckt und
- ob du ihn eher dehnen oder kräftigen solltest, um dein Piriformis-Syndrom behandeln zu können.
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Was ist das Piriformis-Syndrom eigentlich?
Schmerzen im Gesäß, die manchmal mit ausstrahlenden Beschwerden im Bein einhergehen - diese Problematik wird häufig als das Piriformis-Syndrom bezeichnet.
Obwohl das Problem schon Anfang des 20. Jahrhunderts untersucht wurde, ist die genaue Ursache noch ungeklärt.
Man geht davon aus, dass durch die anatomischen Gegebenheiten eine Reizung oder Kompression des Ischiasnerv auftritt. Aus diesem Grund wird das Piriformis-Syndrom auch manchmal zur Familie der Ischialgie gezählt, d.h. es können ausstrahlende Missempfindungen auftreten.
Dieser Tatsache ist auch geschuldet, dass ein Piriformis-Syndrom mit einem Bandscheibenvorfall oder einer anderen Rückenverletzung verwechselt werden kann.
"Aber woher kommt eigentlich der Name?"
Schön, dass du fragst.
Der Piriformis ist ein birnenförmiger Muskel, der von Steißbein zur Außenseite des Oberschenkelknochens zieht.
Weist dieser Muskel nun einen hohen Grundtonus auf, kann dies den Ischiasnerv reizen.
Denn dieser große Nervenstrang verläuft vom unteren Rücken direkt hinter dem Piriformis (bei etwa 12% der Menschen auch genau durch den Piriformis) und den Oberschenkel entlang zu den Füßen.
Rot ist der Piriformis markiert. Gelb der Ischiasnerv. Du siehst deutlich, wie der Ischias hinter dem Piriformis verschwindet.
Dann treten die typischen Symptome des Piriformis-Syndroms auf:
- Schmerzen im Gesäß,
- die manchmal auf der Beinrückseite ausstrahlen können und
- in einigen Fällen sogar zu Taubheitsgefühlen und Kribbeln in den Zehen führen.
Wenn du bei diesen typischen Symptomen automatisch an Ischiasschmerzen oder Bandscheibenvorfälle denkst, liegst du goldrichtig!
Eben weil die Symptome sich so stark ähneln, ist es nicht so leicht, ein Piriformis-Syndrom behandeln zu können.
Bevor wir uns darum anschauen, wie du richtig an das Thema herangehst, müssen wir noch ein paar anatomische Besonderheiten dieses kleinen Muskels anschauen.
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Die Besonderheit des Piriformis-Muskels
Der Piriformis hat seinen Namen aufgrund seiner Birnenform erhalten.
Er entspringt am Steißbein und zieht von dort zur Außenseite des Oberschenkelknochens.
Durch seinen Faserverlauf erfüllt der Muskel verschiedene Aufgaben. So ist er bis unter 80° Hüftbeugung ein Außenrotator der Hüfte.
Wird die Hüfte allerdings über 80° gebeugt, wird der Piriformis zu einem Innenrotator.
Das ist eine anatomische Besonderheit und wird noch wichtig, um herauszufinden, ob du betroffen bist.
Außerdem können wir durch das Wissen passende Übungen wählen, um das Piriformis-Syndrom behandeln zu können.
Zusätzlich unterstützt dieser Muskel den großen Gesäßmuskeln bei der Hüftstreckung und stabilisiert das Becken beim Gehen oder verhindert eine X-Bein-Stellung.
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Wie wird das Piriformis-Syndrom festgestellt?
Um ein Piriformis-Syndrom feststellen zu können, gibt es bisher keinen eindeutigen Test. Viel mehr schließen wir aus, dass keine Rückenproblematik vorliegt. Können wir dies im ersten Schritt ausschließen, testen wir im nächsten Schritt direkt den Piriformis.
Klassischerweise wird bei einem Piriformis-Syndrom von einem festen Muskel ausgegangen, der gedehnt werden muss. In manchen Fällen hilft das auch, in anderen wieder nicht.
Der Grund ist einfach: Ein Piriformis kann sowohl zu fest als auch zu schwach sein. In beiden Fällen wird der Nerv gereizt und löst die typischen Beschwerden aus. Es ist also wichtig herauszufinden, in welchem Zustand sich der Muskel befindet, um erfolgreich das Piriformis-Syndrom behandeln zu können.
Aber der Reihe nach...
#1 Piriformis-Syndrom vs. Rückenproblem
Mit den folgenden beiden Tests bekommst du einen schnellen Einblick, ob deine Probleme nicht vielleicht doch vom Rücken kommen.
Der erste Test ist der sogenannte Seated Compression Test. Setze dich dazu auf einen Stuhl.
Nimm eine neutrale Position mit dem Rücken ein, greife mit den Händen unter den Stuhl und ziehe dich hinein, sodass die Wirbelsäule gestaucht wird. Löst dieser Test bereits Probleme aus? Dann liegt der Verdacht nahe, dass eher ein Rückenproblem dahinter steckt.
Wiederhole den Test sowohl mit einem runden als auch mit einem überstreckten Rücken. Löst dieser Test Beschwerden aus? Das erhärtet den Verdacht einer Ursache im Rücken.
Nach dem Seated Compression Test gehen wir nahtlos zum Straight Leg Raise über.
Lege dich dazu auf den Rücken. Eigentlich lässt du nun von einem Partner das gestreckte Bein anheben.
Aber du kannst es ohne Probleme auch selbstständig machen.
Halte dann die Endposition nun kurz.
Wenn nun die folgenden Punkte erfüllt sind, deutet dies eher auf eine Rückenproblematik hin:
- Wenn du das Bein anhebst, treten ausstrahlende Schmerzen auch schon unter 60° Hüftflexion auf: Dieser Schmerz unterscheidet sich deutlich von einem Dehnungsschmerz der hinteren Oberschenkel,
- Der Schmerz tritt unterhalb des Knie auf: Dieser Punkt ist wichtig, weil der erste Punkt immer noch auf einen Dehnungsschmerz der ischiocruralen Muskulatur hindeuten könnte und nicht eindeutig vom Ischiasschmerz zu unterscheiden ist,
- Der ausstrahlende Schmerz ist stärker als der Rückenschmerz,
- Es treten subjektive sensorische Beschwerden wie beispielsweise ein Kribbeln auf.
Mit einer ausführlichen Schmerzanalyse bei Rückenschmerzen kannst du deine persönlichen Schmerzauslöser exakt eingrenzen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Wie das genau geht, erfährst du hier.
Wenn wir den Rücken als Ursache für deine Beschwerden ausschließen können, können wir uns direkt auf den Piriformis konzentrieren. Hier wird die Sache dann knifflig.
#2 kurzer vs. langer Piriformis
Bei einem Piriformis-Syndrom wird oftmals davon ausgegangen, dass der Piriformis zu fest und verkrampft ist. Dann drückt der Muskel auf den Ischiasnerv und löst die typischen Beschwerden aus.
Mittlerweile gehen viele Experten aber auch davon aus, dass die Beschwerden von einem "überdehnten" Piriformis ausgelöst werden können. So können wiederholende Bewegung der Hüfte - so wie ein Knievalgus oder heben mit Hohlkreuz-, den Muskel überdehnen und bei Bewegung für Reibung am Ischiasnerv sorgen.
Die Folge: Eine Entzündung und Schmerzen.
Daher müssen wir die exakte Ursache unterscheiden, um ein Piriformis-Syndrom behandeln zu können, weil für beide Fälle verschiedene Ansätze notwendig sind.
In der folgenden Tabelle siehst du die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Formen:
Verkrampfter, "kurzer" PiriFormis | Überdehnter, "langer" Piriformis |
---|---|
Gesäßschmerzen mit oder ohne ausstrahlende Beschwerden | Gesäßschmerzen mit oder ohne ausstrahlende Beschwerden |
Schmerz nimmt mit Sitzen zu | Schmerz nimmt mit Sitzen ab |
Reduzierte Innenrotation auf der betroffenen Seite | Vermehrte Innenrotation auf der betroffenen Seite |
Schmerzhaft, wenn tief ins Gesäß gedrückt wird | Schmerzhaft, wenn tief ins Gesäß gedrückt wird |
Reagiert gut auf Dehnen und Weichgewebsmassage | Reagiert gut auf Kräftigung und verbesserte Bewegungskontrolle |
In einer verkürzten Position zu kräftigen, kann Symptome provozieren | mit verminderter Bewegungskontrolle assoziiert, z.B.Knievalgus, Hohlkreuz etc. |
Kannst du dich bereits in einer Tabellenspalte wiederfinden? Das legt den Verdacht nahe, dass der Piriformis der Übeltäter ist. In welchem Zustand er sich befindet, finden wir als nächstes heraus.
#3 Testen der Hüftrotation
Dazu gehen wir wieder in Rückenlage. Zunächst testen wir die symptomfreie Seite, um einen Vergleichswert zu haben.
Erinnere dich dazu kurz an die Anatomie des Muskels: Dieser ist ein Außenrotator der Hüfte, sofern die Hüfte unter 80° gebeugt ist. Darum testen wir die Rotation bei etwa 60° Hüftbeugung.
Beuge dann das Knie und drehe den Unterschenkel nach außen. Dabei wird der Oberschenkel nach innen rotiert und wir testen die Dehnfähigkeit des Piriformis. Merke dir den Ausgangswert (Irgendetwas wischen 30 - 45° Rotation ist sehr gut!).
Dann wiederhole den Test auf der betroffenen Seite.
Jemand mit einem "kurzen" Piriformis wird hier deutlich weniger Innenrotation haben als auf der schmerzfreien Seite. Denn der Muskel führt ja eine Außenrotation durch und ist verspannt. Ergo ist weniger Innenrotation möglich.
Im Gegensatz dazu hat jemand mit einem "langen" Piriformis deutlich mehr Innenrotation als auf der schmerzfreien Seite. Der Muskel ist dann durch wiederholte Zerrungen überdehnt und wurde geschwächt.
Wenn du nun weißt, wie es um deinen Piriformis bestellt ist, kannst du erfolgreich dein Piriformis-Syndrom behandeln. Nachfolgend findest du passende Übungen dafür.
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Piriformis-Syndrom behandeln mit diesen Übungen
Bis hierhin sollte klar geworden sein: Es gibt nicht DIE Lösung für alle. Wir müssen immer zunächst die individuelle Situation herausfinden, um passende Übungen wählen zu können.
Wenn du die Tests gemacht hast, weißt du, ob bei dir ein "kurzer" oder "langer" Piriformis vorliegt. Entsprechend kannst du nachfolgend die passenden Übungen wählen. So kannst du erfolgreich ein Piriformis-Syndrom behandeln.
Wir beginnen zunächst mit ein paar Übungen für den "kurzen" Piriformis, dann folgen ein paar Übungen für den "langen" Piriformis.
Fall #1: "Kurzer" Piriformis
Übung #1: Gesäßmassage mit Massageball
Bei einem "kurzen" Piriformis hat sich diese Übung als Soforthilfe zur Symptomlinderung bewährt. Obwohl wir nicht direkt verklebte oder verkürzte Faszien lösen können, lindert die Massage Beschwerden und erleichtert die folgende Dehnübung enorm.
Setze dich dazu mit der Seite, die bearbeitet werden soll, auf einen Massageball wie z.B. diesen hier (Affiliate Link).
Lege nun den Fuß der selben Seite auf das Knie des anderen Beines.
Rolle nun mit dem Gesäß auf dem Massageball umher, bis du eine verspannte / schmerzende Stelle gefunden hast.
ACHTUNG: Der Schmerz sollte keine 6 von 10 überschreiten. Du solltest noch entspannt atmen können. Rolle bis zu zwei Minuten auf dem Gesäß.
Übung #2: Taube
Eine der effektivsten Dehnübungen für die tiefen Gesäßmuskeln ist die Taube. Da wir bei dieser Übung über 80° Hüftbeugung sind und in die Außenrotation gehen, treffen wir dennoch den Piriformis hervorragend.
Lege dazu das betroffene Bein mit dem Unterschenkel parallel zum Becken vor dich ab.
Schiebe das andere Bein weit nach hinten.
Lehne dich nach vorn, bis du eine Dehnung im Gesäß spürst.
Gehe auch hier nur so weit in die Dehnung, wie du noch entspannt Atmen kannst.
Halte die Position für 2 Minuten. Anschließend kannst du den Unterschenkel bewusst in den Boden drücken. So muss die tiefe Gesäßmuskulatur in der gedehnten Position arbeiten und der neue Bewegungsumfang wird schneller im Motorcortex gespeichert. Ausprobieren lohnt sich!
Fall #2: "Langer" Piriformis
Übung #1: Clam Shells
In diesem Fall wollen wir den Piriformis weder dehnen noch mit dem Massageball bearbeiten. Es würde sich zwar kurzzeitig gut anfühlen, aber die Lösung des Problems nur auf unbestimmte Zeit in die Zukunft verschieben.
Darum steigen wir hier direkt mit einer Kräftigungsübung für den Piriformis ein. Dazu benötigst du ein kleines Gummiband, wie z.B. das hier (Affiliate Link).
Befestige das Band knapp oberhalb deiner Kniegelenke.
Lege dich nun auf die Seite. Das untere Bein ist gestreckt, das obere leicht gebeugt. Hake den Fuß des oberen Beines nun hinter das Sprunggelenk des unteren Beines.
Das Knie ruht auf dem Boden. Hebe nun das Knie so weit an, wie du kannst, ohne dabei das Becken zu verdrehen.
Halte die Endposition kurz und kehre in die Ausgangsposition zurück. Starte hier mit 20 bis 30 Wiederholungen.
Übung #2: Kniebeuge mit Miniband
Als nächstes wollen wir die gewonnene Kraft in eine komplexe Bewegung integrieren. Die Kniebeuge mit Miniband eignet sich dafür wunderbar!
Befestige dazu wieder das kleine Gummiband knapp oberhalb der Knie.
Schiebe die Knie aktiv nach außen. Dabei merkst du eine starke Aktivität im Gesäß.
Führe nun ein paar saubere Kniebeugen aus, während du die Knie die komplette Zeit aktiv nach außen schiebst.
Mit den vorgestellten Übungen wirst du ein Piriformis-Syndrom behandeln können. Natürlich musst du das Gelernte auch umsetzen!
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Jetzt bist du dran!
Da du den Artikel bis hierhin gelesen hast, gehe ich davon aus, dass du ernsthaft daran interessiert bist, deine körperlichen Beschwerden loszuwerden.
Leider ist es nicht immer leicht, die richtigen Übungen zu finden. Vor allem weil du bei Google oft widersprüchliche Vorschläge findest.
Jedoch gibt es eine Trainingsmethode, die für jeden Trainingsstand und jedes Alter geeignet ist: Die kontrollierten Gelenkrotationen. Ich nutze sie mit jedem Kunden, egal was er hat.
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